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vhs-Angebote künftig umsatzsteuerpflichtig? 07.02.2025 Pressemitteilung

BMF-Pläne schaden dem Bildungsstandort Deutschland – Volkshochschulen fordern Dialog über zeitgemäßes Bildungsverständnis

München. Mit einem Entwurf zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Träger der allgemeinen Weiterbildung ins Visier – und demonstriert völlige Unkenntnis für die Herausforderungen der agilen Arbeits- und Lebenswelt. So erklärt das Ministerium den Erwerb fachübergreifender Kompetenzen zur Freizeitbeschäftigung. Steuerfrei soll Weiterbildung nur bleiben, wenn sie unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat. Die Volkshochschulen und ihre Verbände warnen eindringlich davor, Bildung so eng zu definieren, und fordern das BMF zu einem konstruktiven Dialog über Weiterbildung in Zeiten der KI-Revolution, des globalisierten Arbeitens und starker gesellschaftlicher Spannungen auf. Bildungs- und Wirtschaftsfachleute sind sich längst einig, dass es heute im gesellschaftlichen Leben wie auch am Arbeitsplatz auf die von der allgemeinen Weiterbildung vermittelten überfachlichen Kompetenzen ankommt.

Ministerieller Alleingang

Konkret geht es in den strittigen Ausführungen aus dem Ministerium um einen Anwendungserlass zu dem mit Wirkung zum 1. Januar 2025 geänderten Paragrafen 4 Nr. 21 im Umsatzsteuergesetz. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers war, dass auch nach der Gesetzesänderung „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei bleiben.“ Das BMF setzt sich mit seinem Entwurf für den Anwendungserlass jedoch darüber hinweg, indem es nur direkt berufsbezogene Weiterbildungsangebote als Bildungsleistungen anerkennt. Vermitteln Angebote hingegen Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch im Privaten zur Anwendung kommen können, fallen sie nach Lesart des Ministeriums in die Kategorie Freizeit und würden damit steuerpflichtig. Ein realitätsferner Alleingang der Ministerialbürokratie!

Schmalspur-Bildung

Aus Sicht der Volkshochschulen bewegt sich das Ministerium mit seinem engen Bildungsbegriff fernab jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität. Anstatt künstlich zwischen beruflichen und privaten Kompetenzen zu unterscheiden, sollte das BMF anerkennen, dass Fähigkeiten wie Problemlösungsvermögen, Kommunikationsstärke und soziale Kompetenz in allen Lebensbereichen entscheidend sind, um zukunftsfit zu bleiben. Entsprechend fordert der Bayerische Volkshochschulverband (bvv) vom BMF, die Veröffentlichung des Schreibens zu stoppen und nochmals in den Dialog mit den betroffenen Bildungsträgern einzutreten.

„Umsatzsteuer für Weiterbildungsangebote, die der Stärkung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen? Das ist aus unserer Sicht und auch mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche und soziale Erfordernisse unhaltbar und steht übrigens auch im Widerspruch zu den im Vorfeld einstimmig von Bund und Ländern erarbeiteten Kriterien für die Definition einer Bildungsveranstaltung“, erläutert Dr. Christian Hörmann, Vorstand des bvv. Einhellig werde darin nämlich gefordert, Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art, die von bestimmten Einrichtungen, unter anderem Volkshochschulen, erbracht werden, steuerfrei zu halten. Dabei orientierten sich Bund und Länder maßgeblich an den Regelungen im Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetz (BayEbFöG). Dieses sieht ausdrücklich die Förderung Lebenslangen Lernens in den unterschiedlichsten Bereichen vor und verzichtet vollständig darauf, „Bildung“ und „Freizeit“ gegenüberzustellen.

Dr. Regine Sgodda, ebenfalls Vorstand im bvv ergänzt: „Die defizitäre Definition von Bildung in dem BMF-Papier nimmt zudem die Diskriminierung ganzer gesellschaftlicher Gruppen in Kauf. Zum Beispiel alle diejenigen, die ihr Berufsleben schon hinter sich haben, sich aber im vitalen persönlichen wie auch gesellschaftlichen Interesse weiterbilden wollen.“

Mit bürokratischem Eifer in die soziale Schieflage

Weitere haarspalterische Formulierungen in dem Papier des BMF lassen erahnen, wie sehr es die Programmplanung von Weiterbildungseinrichtungen verkomplizieren würde: So unterscheidet das Ministerium zwischen steuerfreien Veranstaltungen mit Berufsbezug und solchen mit der „bloßen Möglichkeit eines Berufsbezugs“, die besteuert werden sollen. Die Präsidentin des Bayerischen Volkshochschulverbandes, Dr. Ute Eiling-Hütig MdL, sieht eine Lawine von Bürokratie auf die Weiterbildung zurollen. Noch schlimmer sei jedoch, dass die Autoren des Papiers schlussendlich die Preise für Weiterbildung in die Höhe treiben und damit die Anstrengungen des Freistaats und der bayerischen Kommunen der letzten Jahre zur Verbesserung der Förderung der Erwachsenenbildung zunichtemachen würden. Zudem würden zahllose Personen, die sich gerade in Krisen- und Umbruchszeiten weiterbilden wollen, um den Anschluss nicht zu verpassen, benachteiligt werden. „Auch in Bayern finden große wirtschaftliche Veränderungen statt. Menschen müssen sich beruflich und damit oft auch persönlich neu orientieren. Sie brauchen bezahlbare Bildungsangebote, die ihnen die notwendigen Schlüsselkompetenzen vermitteln. Kein Bundesministerium darf dabei auf die Bremse treten.“ Um das zu verhindern, werde sich in Kürze auch der Bayerische Landtag mit der Thematik befassen.

Weitere Informationen

Zur Stellungnahme des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV) zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses

Zur DVV-Themenseite „Weiterbildung muss umsatzsteuerfrei bleiben“

 

Kontakt

 

 

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Fäustlestr. 5a

80339 München

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Der Bayerische Volkshochschulverband e.V. (bvv) ist die staatlich anerkannte Landesorganisation der bayerischen Volkshochschulen (vhs) und größter Dachverband der Erwachsenenbildung in Bayern. 180 Volkshochschulen sind Mitglied im Verband. Die Volkshochschulen sind flächendeckend mit insgesamt 1.000 Standorten in Bayern vertreten. Jedes Jahr besuchen rund 1,6 Mio. Menschen in Bayern die Volkshochschule.

 

16.03.25 04:00:55