Generaldirektor der Taipeh-Vertretung Prof. Dr. Dieu zu Gast in Starnberg Die vhs StarnbergAmmersee hat am 7. November zum Vortragsabend mit dem Generaldirektor Ass.-Prof. Dr. Ian-Tsing Joseph Dieu eingeladen.
Im Blickpunkt stand die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung Taiwans im globalen Kontext. Das Interesse an dem Vortrag und an Asiens erstaunlicher Demokratie war groß. Dies liegt nicht nur an den guten partnerschaftlichen Beziehungen des Landkreises zu Taiwan, sondern auch an der bevorstehenden Studienreise von Landkreisbürgerinnen und –bürgern auf die Inselrepublik.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Volkshochschule StarnbergAmmersee und Kreisrat Tim Weidner freute sich sehr, den de facto Generalkonsul Taiwans in München, Prof. Dr. Dieu, als Referenten in Starnbergs Kleiner Schlossberghalle begrüßen zu dürfen. Weidner berichtete über die langjährigen freundschaftlichen Beziehungen Starnbergs zu seinem Partnerlandkreis New Taipei City sowie seit 2018 auch zum Landkreis Hualien und betonte: "Gerade in Zeiten der Krise sollten Demokratien sich gegenseitig unterstützen und zusammenstehen".
Gleich zu Beginn stellte der Generaldirektor Prof. Dr. Dieu die erstaunliche demokratische Entwicklung der Insel dar. Die Republik Taiwan wurde nach dem Ende des 2. Weltkriegs gegründet und hat gerade in den letzten 30 Jahren einen beeindruckenden Demokratisierungsprozess vollzogen. Mittlerweile gehört das Land zu den zehn demokratischsten Ländern der Welt. Im Demokratie-Index belegt es Platz 10 und liegt damit sogar vor Deutschland mit Platz 12. Dr. Dieu machte aber auch auf eine sehr bedenkliche Entwicklung aufmerksam. In den letzten 25 Jahren werden die demokratischen Staaten weltweit weniger, während die Autokratien auf dem Vormarsch sind. Auf der von Prof. Dieu gezeigten Weltkarte des Democracy Reports 2024 erschrecken die großen dunkelroten Flächen, mit denen die autokratischen Staaten eingefärbt wurden.
Niemand anders könnte die ereignisreiche Entwicklung Taiwans zu einer freien und lebhaften Demokratie besser schildern als der Referent des Abends, war doch Prof. Dr. Dieu als Student im März 1990 selbst Teil der Wilde Lilien Studentenbewegung. 1996 fanden dann die ersten Präsidentschaftswahlen statt, seither gab es drei Machtwechsel. Taiwan ist laut Generaldirektor Dieu auch Vorreiter für die digitale Demokratie. So berichtet der Referent zum Erstaunen des Publikums, dass eine taiwanische Steuererklärung digital mit dem Smartphone mit nur wenigen Klicks zu erstellen sei. Tagtäglich müsse Taiwan jedoch rund 1 Million Cyber-Angriffe abwehren, die als Kriegsführung gegen Taiwan zu werten seien.
Ähnlich beeindruckend wie der Demokratisierungsprozess war Taiwans Weg von der Agrargesellschaft zum Tigerstaat. War das Land noch bis 1960 abhängig von Entwicklungshilfen aus den USA, so gelang Taiwan in den 90er Jahren eine rasante Entwicklung im Bereich der Hochtechnologie und Dienstleistung. 60% der Mikrochips weltweit werden heute in Taiwan produziert. Mit der Demokratisierung verringerten sich die Möglichkeiten der Regierung, in die Wirtschaft einzugreifen. Und gerade deshalb konnte sich die Halbleiter-Industrie so gut entwickeln. Prof. Dieu sieht die Demokratie in diesem Sinne auch als Überlebensstrategie für das Land Taiwan. Die Staatsverschuldung ist aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung sehr gering. Sie liegt bei 23 %, in Deutschland beträgt sie rund 60% des Bruttoinlandsprodukts.
Das Jahr 2014 zeigte weltweit einen Wendepunkt. Autokratische Kräfte wie China, Russland, Iran und Nordkorea hatten sich zusammengeschlossen. So war auch Taiwans Demokratie 2014 in großer Gefahr. Nur durch die friedliche und beeindruckende Sonnenblumenbewegung der Studentinnen und Studenten sei es gelungen, die demokratische und wirtschaftliche Freiheit zu erhalten. Das Publikum erlebt die beispiellose Atmosphäre dieser Bewegung in einem kurzen Film.
Am Ende des Vortrags verrät Dr. Dieu noch einige für das Publikum recht überraschende Fakten zur Verbindung Taiwans zu Deutschland und Bayern. So habe Taiwan die Weimarer Verfassung übernommen und sich an der bayerischen Verfassung orientiert, etwa bei der Gewaltenteilung und der Bedeutung der sozialen Sicherheit für den Staat. Letztere wird z.B. durch die 1995 eingeführte allgemeine Krankenversicherung angestrebt. Es begegnet uns auch Deutsches Verwaltungsrecht oder das Duale Ausbildungssystem in Taiwan, das Bürgerliche Gesetzbuch hingegen wurde von der Schweiz übernommen.
Abschließend wies der Referent auf die landschaftliche Schönheit der Insel hin, die von portugiesischen Einwanderern „Ilha Formosa“ - die schöne Insel - genannt wurde. So zähle Taiwan etwa 268 Berge, die über 3.000 Meter hoch sind.
Nach einem großen Applaus nahm sich der Generaldirektor der Taipeh-Vertretung noch viel Zeit für die Fragen aus dem interessierten Starnberger Publikum. Tim Weidner bedankte sich mit einem Gastgeschenk beim Generaldirektor für dessen Besuch und eindrucksvollen Vortrag.
Die Studienreise der vhs StarnbergAmmersee findet vom 3. bis 19. Mai 2025 statt. Reiseveranstalter ist alpetour Touristische GmbH mit Sitz in Starnberg.
Wegen des großen Interesses wird voraussichtlich 2026 eine weitere Studienreise nach Taiwan durchgeführt. Interessierte wenden sich gerne an die vhs StarnbergAmmersee, info@vhs-starnbergammersee.de